Sternstunden der Musik | Die New Yorker Philharmoniker in Nordkorea

Ein Film von Alix François Meier, ZDF/arte, 43 min.

Kann Musik tatsächliche eine Rolle in der Diplomatie spielen, gar Veränderungen bewirken? Ein Fax aus dem nordkoreanischen UN-Büro scheint dafür den Weg zu ebnen: 2008 laden die Machthaber in Pjöngjang die New Yorker Philharmoniker ein – 55 Jahre nach dem Koreakrieg zum ersten großen kulturellen Austausch zwischen den USA und Nordkorea. Was zunächst wie ein Scherz wirkt, wandelt sich zu einem der außergewöhnlichsten Konzerte der Musikgeschichte.

48 Stunden in der hermetisch abgeriegelten Hauptstadt erleben die Musiker ein Land wie aus der Zeit gefallen. Violinistin Lisa Eunsoo Kim beschreibt die Ankunft: „Es fühlte sich nicht wie ein normaler Flughafen an“. Sie war überrascht vom Einsammeln der Pässe und Handys. Die Musiker erfahren, wie stark die Kontrolle über die Gäste ausgeübt wird. „Wir durften das Hotel nicht verlassen, und wer spazieren gehen wollte, wurde sofort zurückgepfiffen“, erinnert sich der Fernsehregisseur Michael Beyer.

Im Großen Theater von Ost-Pjöngjang herrscht anfangs eisige Förmlichkeit. Das Publikum wirkt vorsichtig, zurückhaltend – ein deutlicher Kontrast zu den gewohnten Konzertreisen in Asien. Doch Chefdirigent Lorin Maazel schafft es, im Laufe des Konzerts die Barrieren zu durchbrechen. „Mein Vater spielte viel in der Sowjetunion“, so sein Sohn Leslie Maazel, „er ist damals überzeugt: Musik verstehen und fühlen alle – sie kann die Tür für Dialoge öffnen.“

Die Programmauswahl erweist sich als diplomatischer Geniestreich. „Der Ablauf war sorgfältig zusammengestellt,“ erinnert sich Dietlinde Turban-Maazel, „es entwickelte sich von den Nationalhymnen zum ernsteren Dvořák.“ Antonín Dvořáks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ – komponiert von einem Tschechen in Amerika – wird zur perfekten Brücke zwischen den Welten. Dirigentin Lidiya Yankovskaya erklärt die emotionale Bandbreite des Werks, das Menschen unabhängig von ihrer politischen Situation berührt. Maestro Maazel Dirigierstil zeichnet für die Violinistin Bomsori Kim von seiner intellektuellen Präzision und emotionaler Tiefe.

Besonders bewegend: Für Leonard Bernsteins Candide-Ouvertüre tritt Lorin Maazel vom Pult zurück. Er lässt es bewusst ohne Dirigent gespielt – eine subtile Botschaft über Selbstorganisation ohne „großen Führer“.

Der Höhepunkt kommt mit „Arirang“, einem koreanischen Volkslied. Hier bricht endgültig der Bann: Das Publikum zeigt Emotionen, der kulturelle Austausch gelingt. Trotz aller politischen Spannungen beweist das Konzert die verbindende Kraft – eine Sternstunde der Musik.